Mitgliederentwicklung

Beschreibung

1. Pessimismus als Ausgangspunkt

Annahme: Für Menschen in zentraler, kirchlicher Verantwortung sicher nichts Neues

Seit 20 Jahren wohne ich in einer ländlich geprägten Kirchengemeinde. Aus meiner Zeit als Kirchenvorstand weiß ich, dass aus der Zahl der Gemeindemitglieder, den Kasualien und dem Schuldienst in einer der näheren Kleinstädte zirka 0,9 Pfarrstellen berechnet wurden. Einen kirchlichen Kindergarten und eine Schule im Ortsteil gibt es nicht. An Vereinen sind vor allem die Freiwillige Feuerwehr und der Sportverein relevant, beide haben aber auch Nachwuchsprobleme.

Seit vielen Jahren gibt es keinen Kindergottesdienst mehr, aus den Konfirmandenjahrgängen bildet sich immer wieder eine kleine Mitarbeitergruppe zur jährlichen Ausrichtung einer Kinderbibelwoche gegen Ende des Schuljahres, deren Dauer und Besuch wegen der zunehmend schulischen Beanspruchung der Kinder zurückgegangen ist. Mutter- und Kind-Kreis (ohne enge Bindung an die Kirchengemeinde) und der Seniorenkreis sind eingeschlafen, die leitenden Personen sind ausgeschieden, Nachfolger gibt es nicht. Hauskreise gibt es nicht, ein Glaubenskurs wurde abgelehnt, weil es scheinbar vor 30 oder 40 Jahren Schwierigkeiten mit einer sehr konservativen Gruppierung am Ort gegeben haben soll (weiteres ist mir nicht bekannt).

Zurzeit ist ein neuer Landesstellenplan in Arbeit, es wird auch nicht der letzte sein, doch zu befürchten ist, dass aufgrund der zurückgehenden Anzahl sowohl der Gemeindemitglieder als auch der Pfarrer Kirchengemeinden und Pfarrbüros zusammengelegt werden, aber auch Pfarrhäuser, Gemeindehäuser und letztendlich auch Kirchen verkauft werden.

Ich bin kein Kirchenhistoriker, doch das frühere Vorbild der Pfarrfamilie mit ihrem Einfluss sowie die Wahrnehmung, dass kirchliche Positionen immer weniger gefragt werden und in den Medien erscheinen, lassen aus der Perspektive der bislang "Wohl-Habenden" mit zunehmender gesellschaftlicher Desorientierung mit zeitgleicher Polarisierung von "Meinungen" den Verlust eines religiösen und gesellschaftlichen Ortszentrums im ländlichen Raum befürchten. Begleitet wird dieser Verlust von schließenden Gaststätten und Geschäften, konzentrierten Gemeindeverwaltungen und Schulen, Reduzierung des öffentlichen Nahverkehrs von Ort zu Ort und Alterung, aber auch Bevölkerungsschwund.

Der Kirchturm als Landmarke und auch Anzeige eines spirituellen bzw. gesellschaftlichen Zentrums sowie Erinnerungs- und Bezugsort von Biografien sorgt allenfalls noch für touristisches Interesse.

 

2. Themenfelder

  • Ausbildung und Beschäftigung der Pfarrer/Hauptamtlichen (zum Teil anderweitig berufstätig, vgl. Paulus)?
  • Gewinnung und Ausbildung/Schulung von Laien
  • Struktur von Kirchengemeinden
  • Kirchliche Positionen in den Medien
  • Erhaltung und (Mehrfach-) Nutzung kirchlicher Gebäude
  • Helfen neue Formen wie zum Beispiel aus der Fresh-X-Bewegung?
  • Wie kann Glaube "digitalisiert" werden, sodass er flächendeckend bei Gottesdienstbesuchern Gemeinschaft schafft? Wie nehme ich technikferne Menschen mit?
  • Wie lässt sich Glaube zeitgemäß (VUCA-gemäß?) wecken und weitergeben?
  • Wie können Einzelne eine Graswurzelbewegung initiieren und die Community fördern? Reicht Gebet alleine?

 

3. Was ich mir von einer (Teil-)Antwort erhoffe

  • Was heißt in diesem Fall "Suchet der Stadt Bestes"? Nur noch Stadt und nicht mehr Dorf?
  • Wo sind Kirche und Glaube von Morgen auf dem Land?
  • Wie wird die Fragestellung tiefer?

 

4. Trotzdem

Warum fange ich nicht an?

Jesus ist unser Joker :-)

 

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Digitalisierung Evangelische Kirche Glaube Hochrechnung Kultur der Digitalität Mitgliederentwicklung Praxis Spiritualität Struktur Tiefe Fragen Zukunft
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Der Ausgangspunkt

Meine Voraussetzung ist: unsere gegenwärtige Art, Kirche/Gemeinde zu sein, kommt gerade an ihr Ende. Ich schreibe das als Landeskirchler, der sieht, wie der Rückbau der flächendeckenden Organisation jetzt in ein kritisches Stadium kommt. Im Augenblick versuchen die Kollegen noch, mit äußerstem Einsatz den Status Quo zu halten. Aber lange wird das nicht mehr gutgehen. Der individuelle und kollektive Burnout beginnt schon hier und dort, und die Flucht in übergemeindliche Posten hat sowieso längst eingesetzt. Das Geld ist gar nicht mal so knapp, aber der Nachwuchs wird es. Meine Prognose: es wird in der ersten Hälfte der 2030er kippen.

Vor allem sehe ich aber eine wachsende inhaltliche Entleerung. Predigten, Andachten und sonstige Voten werden oberflächlicher. Statt des Versuchs einer theologischen Durchdringung der gegenwärtigen Lage (was angesichts unserer umfassenden Zivilisationskrise dringend nötig wäre) werden Schlagworte reproduziert, Gefühle beschrieben, Geschichtchen erzählt und mit allerlei Kaspereien um Aufmerksamkeit gebuhlt. Bestenfalls noch Traditionen dekonstruiert, aber das bringt auch nicht weiter. Wenn sich mal jemand ereifert, dann über Stilfragen und Marketingkonzepte. Über allem liegt eine milde Depression, Resignation, und viele fühlen sich erschöpft. Fast niemand ist mehr echt stolz auf seine Arbeit und das, was er erreicht hat.

Ein ökumenisches Problem

In die Freikirchen schaue ich nicht so genau rein. Da geht es organisatorisch sicher anders zu, aber gelegentliche Gottesdienstbesuche und Begegnungen geben mir den Eindruck, dass es inhaltlich gar nicht so verschieden aussieht. Da sind meistens (nicht immer) noch mehr fromme Worte, aber man hat nicht das Gefühl, dass die Theologie oder auch nur der Glaube ein tägliches Handwerkszeug ist, das man unbedingt brauchen würde.

Wenn ich damit recht habe (natürlich sind das sehr subjektive Eindrücke, es gibt sicherlich auch andere), dann haben wir ein ökumenisches Problem. Aber es liegt nicht an den Unterschieden, sondern gerade die Gemeinsamkeiten quer durch fast alle christlichen Fraktionen in Deutschland (und vielleicht weit darüber hinaus) sind das Problem. Was führt eigentlich dazu, dass die deutsche Christenheit als Ganze in unserer gegenwärtigen Situation so wenig beizutragen hat, was die Gesellschaft aufhorchen lassen würde? In den Medien tauchen wir jedenfalls in der Regel nur mit Skandalen oder den ewiggleichen wohlabgewogenen Stellungnahmen auf.

Die Inhalte prägen unsere Kirchlichkeit

Nun bin ich aber mehr an Lösungen als an Fragen interessiert. Deswegen möchte ich die gegenwärtige Misere möglichst wenig analysieren (obwohl ich dazu auch viel mehr sagen könnte), sondern eher fragen: Wie würde eine Gemeinde/Kirche jenseits unserer jetzigen Kirchentümer aussehen? Und zwar nicht in erster Linie organisatorisch. Das ist zwar auch wichtig, aber eigentlich wird Kirche von ihrer Theologie her geprägt. Wenn man zB ernst nimmt, dass Christen nach Jesus das Salz und nicht der Teig sein sollen, dann kann man eigentlich gar nicht auf die Idee kommen, Volkskirche sein zu wollen. Freikirchen verstehen sich zwar als Minderheit, heben sich aber in der fundamentalen Theologie nur wenig von den Großkirchen ab.

Die Frage wäre also: Welche Einstellungen tief unten im Maschinenraum unserer gemeinsamen Theologie müssen verändert werden, wenn wir eine wirklich andere Art von Gemeinden/Kirchen wollen? Gegenüber dieser Frage sind Differenzen im Abendmahlsverständnis oder über die Rolle des Heiligen Geistes eher Pippikram (so viel Ketzerei muss sein).

Grundlegend neu denken

Um es noch einmal anders zu beschreiben: ich bin nicht interessiert an Musikstilen oder Liturgievarianten, auch nicht an Marketingkonzepten oder der ewigen Frage, wie wir "die Jugend" oder andere Milieus erreichen. Noch nicht mal an der Frage, wie wir unsere Inhalte in Sprache und Aroma modernisieren können. Das alles ist an seinem Ort sicher wichtig, geht aber am Kern vorbei. Meine Frage ist: Was sind denn eigentlich unsere Inhalte? Und welche grundlegenden theologischen Revisionen jenseits des Modernisierungsparadigmas ermöglichen ein fundamental neues, aber biblischeres Christentum?

Wohin das meiner Meinung nach gehen könnte, will ich in ein paar plakativen Stichworten andeuten (ich gebe von vornherein zu, dass das 1. noch längst nicht alle sind, und dass man 2. natürlich alles in Wirklichkeit differenzierter sehen muss):

  • Schluss mit der Sühnopfertheologie. Gott ist weder schnell beleidigt, noch in seinen eigenen Gesetzen gefangen.
  • Das Kreuz als ultimativen Konflikt zwischen Gott und den Imperien/Todesmächten sehen und es so  (mit Paulus) als Rahmen für alle Theologie nehmen.
  • Eine selbstbewusste Schöpfungstheologie, die in den aktuellen Naturwissenschaften Verbündete sieht
  • Himmel als Ermöglichungsraum für die Erde, nicht als Endlager für tote Seelen mit dem korrekten Glaubensbekenntnis.
  • Die Zukunft liegt nicht im Paradies, sondern im Neuen Jerusalem (Jens, das hab ich von dir!).
  • Von der Gemeinde her denken, nicht vom Individuum her.
  • Ein zwanzigjähriges Moratorium für alle Sex- und Familienthemen.
  • Ausrotten der gnostischen Unterströmungen im Christentum
    (ich bitte alle Nichttheologen um Entschuldigung, wenn ich das nicht erläutere, aber es geht hier einfach nicht. Im Prinzip ist es der Oberbegriff von allem Vorigen.)
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Botschaft Mitgliederentwicklung Theologie Zukunft
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Mir scheint, es gibt ein sehr mächtiges "Drinnen-Draußen"-Schema, welches unsere Gemeinden und deren Wahrnehmung prägt. Ich bin davon überzeugt, dass wir innerhalb unserer Gemeinschaft die Möglichkeit haben müssen, individuellen Bedürfnissen Raum zu geben, die Gemeinschaft infrage zu stellen und gleichzeitig diese nicht verlieren zu müssen. Wie können Menschen ihren eigenen Glaubensweg gehen, auch wenn dieser die Gruppe infrage stellt und werden dabei als erwünscht unterstützt, sodass sie die Gruppe nicht verlassen müssen?
 

1. Warum mir diese Frage wichtig ist.

Ich erlebe die Realität so, dass wir eine Gemeinschaft von Glaubenden, also auch Zweifelnden sind. Die Skepsis, die Abwendung, die Fragen begegnen mir in mir selbst und mitten in der Gemeinde. Die Gemeinschaft der NachfolgerInnen ist stark durchmischt.

Es wird aber im Widerspruch dazu durch Vision Statements, Sprachregelungen, Gebetsformen und Veranstaltungskultur ein Bild vermittelt, als ob die Gemeinde eine Gruppe von im gleichartig und mit gleichen Anliegen glaubenden Menschen sei.

Menschen wenden sich von Gemeinde ab, weil sie spüren, dass sie nicht mehr der Glaubensnorm entsprechen. Das halte ich für einen großen und vermeidbaren Verlust. Menschen erleben eine Glaubensphase starker Individuierung und werden als "abgefallen" "egoistisch" "selbstbezogen" oder sonst was bezeichnet ("der hat vom Reich Gottes nichts verstanden!"). Das halte ich für daneben, schädlich und unsachgemäß.
 

2. Welche Themenfelder dazugehören:

  • es braucht diversifizierte Räume für eher gemeinschaftsbezogene wie auch eher individuell erlebbare Spiritualität
  • aktiv geschaffene Räume für "gefährliche Fragen", in denen Menschen ihre Glaubensentwicklung teilen können und Erfahrungen austauschen können
  • wie wäre eine gute und klare Struktur, die das Ziel hat, von Andersglaubenden wertschätzend zu lernen? (Bspw. Themenabend: Was Christen von Atheisten/Buddhisten/Muslimen etc. lernen können. mit GastrednerIn)
  • Wie sehen Glaubensfeste aus, die Vergemeinschaftung feiern, ohne zu vereinnahmen?
  • Leitbild der Gemeinde: Was gibt Identität? Was schafft Kontinuität (Siehe Snapshot Sicherheit und Treue Gottes)? Wie kann man vermitteln, dass Menschen in der Glaubensentwicklung weg vom Kollektiv ihren Platz nicht verlieren?
  • Spiritualität und Begleitung für Menschen, die den (letzten) Glauben verloren haben...
     

3. Was ich mir von einer (Teil-)Antwort erhoffe...

Mut und Ideen, die Kultur, die ich erwünsche, zu leben.

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