Gemeinschaft

Beschreibung

Abgrenzung der Fragestellung

Die Beziehung von Kirche in ihren gegenwärtigen Strukturen und der digitalen Transformation ist für mich grundsätzlich und verkürzt recht einfach zu formulieren: Wir sollten die Möglichkeiten von Reichweite, Vernetzung, digitaler Niedrigschwelligkeit usw. nutzen, ohne dabei zentrale Werte von Gemeinde wie Beziehungen, Körperlichkeit, ganzheitliche Erlebnisse usw. durch digitale Formate zu unterwandern. Die technische Umsetzung und das genaue Abwägen, was mit welcher Intention digital oder bewusst nicht digital durchgeführt wird, bleiben dabei Herausforderungen, sind aber mit zunehmender Erfahrung gut zu gestalten.

In diesem Snapshot möchte ich daher bewusst nicht darauf eingehen, sondern auf die Frage, wie Digitalität das Reich Gottes in neue kirchliche und gemeindliche Strukturen verändern kann.

Reich Gottes

Das Reich Gottes ist für mich dabei der Regierungsraum von Gott. Der spirituelle Raum, in dem Jesus der König ist und dessen NachfolgerInnen in seinem Sinn die Welt mitgestalten. Bei Regierung, König oder noch stärker bei Herrschaft sind leider immer thematische Abgrenzungen nötig (dazu bräuchte es neue Wörter), da die Art & Weise den üblichen Auslebungen entgegensteht. Also ein König der dient, eine Herrschaft der Liebe, ein Regierungsraum der Vergebung und des gegenseitigen Erbauens. Ausgangspunkt dieses Reiches ist Jesus, der destruktive Mächte durchbricht und stattdessen mit seiner liebevollen Hingabe neues, freies und hoffnungsvolles Leben ermöglichst.

Reich Gottes in bestehenden Strukturen

Das dieses Reich Gottes nicht einfach in unsere gesellschaftlichen Strukturen hineinpasst, ist offensichtlich. Dennoch wurde genau das zu verschiedenen Graden getan. In christliche Staaten, christliche Volkskirchen. Als Freikirchen bzw. speziell Baptisten haben wir diese Vermengung kritisiert und haben stets betont, dass die Zugehörigkeit zum Reich Gottes nicht durch Staatsangehörigkeit, Familienstrukturen oder sonstige vermittelte Gottesbeziehung funktioniert, sondern in direkter Begegnung mit Christus. Auch dieser Ansatz hat sich jedoch schnell in Vereinen und festen Versammlungsorten in andere Strukturen gebracht. Es ist offenbar so, dass wir als Menschen langfristig solche Strukturen brauchen und schon die Pastoralbriefe in der Bibel zeugen von solchen Mechanismen für die zweite und dritte Generation von Christen.

Strukturen & Christsein

Mit Blick auf den digitalen Wandel stellt sich für mich die Frage, ob sich dadurch neue Chancen ergeben, bisherige hinderliche Strukturen zu überwinden und neue, hilfreichere zu begründen. In meinen Überlegungen sind dies vor allem benötigte Strukturen für das große Ganze, als auch für das Christsein im Alltag.

Inhaltlich wiederum zeigen sich die Grundaspekte, selbst als ChristIn im Glauben erbaut zu werden sowie diesen Glauben als Teil von Gottes Reich in diese Welt zu leben. Beide Grundaspekte können sicherlich in viele kleinere Teile aufgeteilt werden. Für mich ist dazu die Metapher des Ein- und Ausatmens nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Sowohl für christliche Individuen als auch für Gruppen braucht es eine gesunde Balance, da ansonsten das jeweils andere an Grenzen stößt.

Alte Strukturen & neue Ansätze der Digitalität

In diesem Snapshot kann und will ich nun keinen kompletten Entwurf zu einer neuen kirchlichen Struktur starten. Mir stehen vor allem die Grundfragen vor Augen, ob bisherige Strukturen sowohl das große Ganze vom Reich Gottes als auch das konkrete Kleine sowie die individuelle Erbauung als auch die Hilfe zur Auslebung des Glaubens möglichst optimal unterstützen. Hier kann die Antwort nach meiner Wahrnehmung nur ein deutlich Nein sein. Viele Strukturen, sei es die Ortsgemeinde oder Kirchstrukturen, die auf eine bestimmte Region oder ein bestimmtes Land begrenzt sind, sind der Lokalität geschuldet. Keiner Lokalität, die für persönliche Beziehungen, Erbauung usw. zwingend nötig wäre (das könnte ja z.B. auch in Hauskreisen abgedeckt werden), sondern die unsere örtliche Begrenztheit widerspiegelt. Damit einher gehen unzählige Doppelstrukturen, Zuständigkeitsgrenzen und andere Beschränkungen.

Für mich zeigt die digitale Transformation eine Chance auf, hier deutlich bessere, vernetztere und umfassendere Strukturen aufzubauen. Wo genau hier Grenzen liegen müssen oder sollen (bei unterschiedlichen Sprachen? Konfessionen? Ländern? Frömmigkeitsstilen?) sei hier offengelassen.

Spannender, aber auch schwieriger finde ich die Frage nach der individuellen Einbindung von ChristInnen. Nach meinem Eindruck wird hier die Lokalität weiterhin elementar wichtig bleiben. Natürlich können wir uns auch online mit anderen Gleichgesinnten vernetzen (siehe hier bei Zukunftspilgern), Predigten hören, Einfluss nehmen usw. Aber tiefgehende geistliche Erbauung als auch diakonische Auslebung des Glaubens brauchen für mich die Lokalität, die Gemeinschaft vor Ort. Wie groß diese Gemeinschaft sein sollte, bleibt eine andere Frage. Kleingruppen kommen sicher schnell an diakonische und organisatorische Grenzen, größere Versammlungen/Gemeinden an Grenzen des Persönlichen und Individuellen.

Gedanken eines Entwurfes

Wie es dann schlussendlich aussehen könnte, ist für mich noch ziemlich unklar. Vielleicht gibt es dann nur noch ein Zehntel der Gemeindegebäude (ich habe hier die Baptisten vor Augen). Das sind die großen, in die mindestens 300 Leute hineinpassen, verteilt auf Deutschland. Hier findet einmal im Monat ein großer gemeinsamer Gottesdienst statt. Dafür reisen die Menschen etwa bis zu einer halben Stunde an, bleiben zum Mittagessen und am Nachmittag noch zu weiterem Austausch, Schulungen, Absprachen für diakonische Projekte usw. Ansonsten gibt es Online-Gottesdienste. Also keine Gottesdienste, die abgefilmt und online gestellt werden, sondern echte Online-Gottesdienste. Darauf ausgelegt, sie gemeinsam in Kleingruppen zu schauen, darüber in den Austausch zu kommen und auf den eigenen Alltag zu beziehen. Vielleicht gibt es eine Handvoll verschiedener Gottesdienststile, inhaltlich aber nah beieinander. In den Kleingruppen findet die persönliche Begegnung untereinander und mit Gottes Wort statt. Sie bleibt klein und flexibel genug, um andere Menschen dazu einzuladen, sich in Cafés, Häusern oder sonst wo zu treffen. Wie durchlässig solche Gruppen sein sollten und andere Details, mal außen vorgelassen. Durch die gemeinsamen Online-Gottesdienste und die großen vor Ort Treffen einmal im Monat gibt es bereits inhaltliche Vernetzungen im ganzen Land. Dazu gesellt sich eine digitale Struktur, die darüber hinaus den Austausch, das Wissensmanagement (ganz wichtig!) und strategische Planungen erleichtert.

Das ist jetzt doch schon etwas konkreter als vor dem Schreiben von mir gedacht. Natürlich noch sehr unfertig. Aber solche neuen, hilfreichen Strukturen zu schaffen, die an der Ein- und Ausatmung von Gottes Reich ausgerichtet sind, das erhoffe ich mir von den Chancen der Digitalität. Vieles wird auch damit einhergehen, anhand welcher Story, also welcher großen Erzählung von Gottes Reich wir die Strukturen neu ausrichten wollen.

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Beschreibung

Mich bewegt die Frage nach der Zukunft von Kirche (oder Gemeinde - ich verwende beide Begriffe synonym) stark. Problemanzeigen gibt es zuhauf, z.B. die Provokation von Heinzpeter Hempelmann "Warum die Kirche keine Zukunft hat" (Theolog. Beiträge 20-6, 440, 2020). Wie kann Gemeinde den Glauben an Jesus Christus gemeinsam leben und in der Gesellschaft kommunizieren?

Bei mir mehr Fragen und Träume als Antworten... Vielleicht war das alte Hauskreismodell, aus dem meine Gemeinde vor mehr als hundert Jahren entstanden ist ("Stubenversammlungen"), nicht so schlecht; jedenfalls ermöglicht es Partizipation und gelebte Gemeinschaft. Eine Fokussierung auf einen für eine bestimmte Zielgruppe "designten" Gottesdienst, als Bühnenshow von Profis für konsumierende Kunden, will mir hingegen - bis jetzt - nicht als Lösung einleuchten.

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Gemeinschaft Glaube Tiefe Fragen Zukunft Gemeinde
Beschreibung

Im Nachgang zum Gehörten über die exponentiell wachsen Menge an Informationen, gehen mir folgende Fragen im Kopf rum: 

1 Das dialektische Gesetz vom Umschlag von Quantität in eine neue Qualität (aufgestellt von Engels) - gibt es eine kritische Masse/Menge oder erfordert der Umschlag in Bezug auf die Informationsquantität einen Deutungshorizont.  Wodurch kann der gefördert werden? 

2 Energiearme Zustände sind die stabilsten. Was bedeutet dies in Bezug auf die wachsende Informationsmenge? Lässt sich diese Erkenntnis aus der Physik hierher übertragen und wenn ja, was bedeutet es? Wenn ja, gibt es eine effiziente Menge, die für einen Nutzer der Informationen besonders vorteilhaft ist (vgl.  günstige Drehzahl eines Motors)

3 Gäbe die Sintfluterzählung einen Deutungsrahmen für den Umgang mit der Inflationsflut? Wofür würde die Arche stehen und wofür die darin Aufgenommenen?...

4  Kultur der Digitalität kann unser Weltverständnis beeinflussen. Was wäre davon im Glaubens/Religionsbereich relevant. Neues oder wiedergefundenes Seelsorgeverständnis? Gemeinschaftsformen; Beteiligungsformen; Verständnis bzw. Verhältnis zu Ritualen und zum Gebet

Ich denke, diese Fragen könnten in den Lab einfließen.

 

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