Heilsgeschichte

Beschreibung

Nachdem ich nun in drei Themes (1., 2. und 3.) einzelne Blickwinkel auf die große Geschichte der Bibel gerichtet habe, will ich diese nun in einer Story selbst zusammenbringen. Das ist schon eine große Herausforderung, ich will aber gleichzeitig noch möglichst kompakt darin bleiben. Geschichte ist immer der Fokus auf bestimmte Aspekte und Weglassen von vielem anderen. Damit wage ich mich nun an die große Erzählung und schaue dann in einem zweiten Schritt, was diese im Zusammenklang mit unserer Zeit macht.

Zur Strukturierung der Geschichte nutze ich eine Einteilung, die N. T. Wright vornimmt, indem er die biblische Geschichte in Akte eines Dramas aufteilt (siehe ersten YouTube Link unten). Er selbst spricht klassisch von fünf Akten, ich selbst werde sechs verwenden (um die Neuwerdung am Ende herauszustellen).

Akt 1 – Die Schöpfung

Gott erschafft die Welt und sie ist sehr gut. In dieser Welt übergibt er den Menschen die Aufgabe, sich um die Erde zu kümmern, über sie zu regieren (leider fehlt ein schöneres Wort) und seine Schöpfung im Guten voranzubringen. Darin zeigt sich die Ebenbildlichkeit des Menschen, dass sie Gottes liebevolle und weise Herrschaft in die Welt wiedergeben und den Lobpreis der Schöpfung zu Gott. Das soll in Liebe untereinander und in Liebe zu Gott geschehen.

Akt 2 – Der Sündenfall

Der Mensch zweifelt an Gottes guten Absichten, er will nicht Gottes Herrschaft in die Welt bringen, sondern seine eigene. Er wird jedoch nicht autonom, sondern fällt in die Zwänge und Beeinflussung von Mächten und Gewalten, auf die der Mensch nun ausgerichtet ist. Als falsches Ziel – die Sünde. Es sind keine Götter, sondern Götzen, die den Menschen und damit auch seine Herrschaft über die Schöpfung korrumpieren. Es startet in den Herzen der Menschen und wächst hin zu zerstörerischen Reichen.

Akt 3 – Israel

Beginnend mit Abraham und folgend mit seinen Nachfahren als Volk Israel macht Gott sich auf, die Menschheit wieder für sich zurückzugewinnen. In und an Israel soll deutlich werden, wie ein Leben in Gemeinschaft mit Gott aussieht, das ein Segen für die gesamte Welt wird. Liebe Gott und liebe deinen Nächsten, so lauten die Gebote Gottes zu solch einem Leben. Weil aber nicht die reine Liebe, sondern die Sünde das Herz der Menschen erfasst hat, misstraut auch Israel immer wieder Gottes Willen und verstrickt sich im Bösen.

Akt 4 – Jesus

Der Höhepunkt der Geschichte, die gute Nachricht: Trotz aller Abwendung wird Israel doch zu Gottes Segenshandlung an der Welt – indem Gott selbst in Jesus Mensch wird. An ihm zeigt sich, wie der Mensch in Liebe zu Gott und den Mitmenschen über diese Welt regieren soll. Nicht mit Unterdrückung und Gewalt, sondern dienend und in Liebe. Gottes Herrschaft in Christus kollidiert mit der Herrschaft der Sünde am Kreuz. Jesus stirbt, die Fratze des Bösen wird offenbar und gleichzeitig zeigt sich Gottes Himmelreich darin, dass nicht Rache, sondern Vergebung folgt und die Auferstehung in ein neues Leben.

Akt 5 – Die Gemeinde

Durch die Auferstehung von Jesus hat eine neue Schöpfung begonnen. Sie beginnt mit erneuerten Menschen, die wieder auf Gott ausgerichtet sind und seine Herrschaft widerspiegeln. Durch das Wirken von Jesus und seinen Tod am Kreuz werden Menschen im Herzen bewegt. Sie erfahren die Vergebung, Heilung und die Liebe Gottes sowie darin bereits ein Stück neues Leben. Aus dieser Erfahrung heraus und in Leitung von Gottes Geist begegnen sie auch ihren Mitmenschen auf neue Weise und nehmen ihren Auftrag als stellvertretende Herrscher (hier wird das passende, fehlende Wort besonders sichtbar) über die Schöpfung dienend an.

Akt 6 – Die neue Schöpfung

Der Ausblick – Gottes Gegenwart kommt ganz mit der Schöpfung zusammen. Was bereits in Christus sichtbar wurde und durch das Wirken des Heiligen Geistes ein stückweit erfahrbar, wird dann umfassende Realität. All das Zerstörerische, auf das die Menschen sich ausgerichtet und das sie selbst angerichtet haben, wird keinen Bestand mehr haben. Der Mensch lebt gemeinsam mit Gott, das Misstrauen aus Akt 2 ist bereits durchlebt und überwunden. Es bleibt der Auftrag Gottes an den Menschen, gemeinsam in Liebe an einer erneuerten Schöpfung mitzuwirken.

Begründung für diese Erzählweise

Die Ebenbildlichkeit des Menschen sowie seine Aufgabe gut über diese Welt zu herrschen findet für mich den größten Anklang an gegenwärtige Weltdeutungen. Das ausgerufene Anthropozän beschreibt die Tatsache, dass der Einfluss der Menschheit auf unsere Welt immer weiter zunimmt. Es hat enormen Einfluss auf die gesamte Schöpfung, wie die Menschheit sich verhält und worauf sie sich ausrichtet. Das geht weit über den Umweltschutz hinaus. Wen oder was der Mensch mit seinem Leben widerspiegelt hat hohe Bedeutung. Die Gute Botschaft ist dabei, dass wir in Jesus nicht nur einen Menschen mit richtiger Ausrichtung auf Gott erleben, sondern er diese Ausrichtung, das von Gott gewollte Leben auch für die Menschen möglich macht mit seiner Vergebung, Heilung und Liebe.

Die Gegenwart als Teil von Akt 5

Der schwierige Teil kommt nun allerdings erst noch. Wie wirkt sich diese Geschichte in unsere Zeit aus? Und darüber hinaus: wie hat sie sich in die Geschichte der letzten 1900 Jahre der nachbiblischen Zeit ausgewirkt? Denn wir stehen heute natürlich nicht im geschichtsleeren Raum, sondern sind nach der biblischen Geschichte auch von der langen folgenden Zeit bis heute mitgeprägt. Würden wir es allerdings wie die biblischen Autoren wagen, Zeiten und historische Ereignisse in Gottes Geschichte mit den Menschen zu interpretieren? War z.B. die konstantinische Wende ein Hochpunkt oder Tiefpunkt des Christentums oder irgendwie beides? Ob wir uns nun an solche Interpretationen wagen oder nicht: die größten Parallelen haben wir heute in Akt 5 mit Akt 3. Es sind jeweils große, variantenreiche Zeiträume abgedeckt. Gott hat jeweils sein Volk in eine neue Lebenssituation geführt (im Heiligen Land bzw. in die Zeit der Kirche nach Pfingsten). In Akt 5 haben wir allerdings nur den Anfang zur Verfügung (in Form des NT). Akt 6 ist uns ebenfalls angedeutet mit den Visionen, welche die Bibel für die neue Schöpfung aufzeigt. Zwischen dem Anfang von Akt 5 und Akt 6 liegt allerdings eine Leerstelle.

N. T. Wright führt hierzu an, was Schauspieler in einem Theaterstück machen würden, wenn das Drehbuch solch eine Lücke aufweisen würde: sie verinnerlichen die vorhandene Geschichte und improvisieren dann die Leerstelle. Das finde ich eine sehr spannende Herangehensweise. Es bedeutet, dass wir nicht einfach wiederholen, wie es vorher war, nicht einfach möglichst nah zurück wollen an die biblischen Zeiten. Sondern wir kommen aus der biblischen Geschichte, haben die Vision der neuen Schöpfung vor Augen und improvisieren den Weg bis dahin. Improvisation ist dabei nicht als unvorbereitete Aktion gemeint, sondern als Weiterführung im Geiste des Vorhandenen, jedoch ohne feste Vorgaben und ohne einen stetigen Fortschritt anzunehmen. Welchen Weg das ergeben wird, bleibt hier unklar und auch wie Akt 6 beginnt, entzieht sich unserer Erkenntnis.

Interessant und fraglich bleibt für mich, wie wir unsere bisherige Improvisation der letzten 1900 Jahre einordnen und bewerten würden. Auch in wie weit wir tatsächlich Fortschritte zu Akt 6 machen oder er wie Akt 4 nach Akt 3 zwar angebunden, aber doch mit klarem Bruch beginnt, bleibt für uns nicht beantwortbar. Als Teil von Akt 5 aus der großen Geschichte der Bibel zu leben und dennoch selbst Akzente setzen zu können, finde ich aber attraktiv und herausfordernd.  

PS: Der zweite YouTube Link zeigt eine Zusammenfassung der biblischen Geschichte in animierter Form durch BibleProject. Der dritte das Gleiche übersetzt in Deutsch.

Tags
Erzählung Evangelium Gute Nachricht Heilsgeschichte Meta-Story Reich Gottes
Website
https://www.youtube.com/watch?v=b2BJdBAp7wo https://www.youtube.com/watch?v=7_CGP-12AE0 https://www.youtube.com/watch?v=UNKQf4QOZRU
Beschreibung

in: Faix, Tobias; Weißenborn, Thomas; Aschoff, Peter (Hrsg.): ZEITGEIST 2 - Postmoderne Heimatkunde, 2009 Marburg an der Lahn, 201-210.

Eine Beschreibung, wie sich die Bewusstseinsstufen von Spiral Dynamics auf die biblische Heilsgeschichte anwenden lassen.

PDF im Anhang.


Gottes Heim-Suchung - Wie der Ewige uns nach Hause holt

Seit Jahren beschäftigen mich die Wechselwirkungen zwischen „äußeren Häusern“ und „inneren Behausungen“. Wo sind Nachfolger Jesu beheimatet? Wie wirken sich Kirchengebäude auf die gemeindliche und persönliche Identität aus? Und was hat das alles mit dem Verständnis von „Tradition“, „Geistlicher Reife“ und der sogenannten „Postmoderne" zu tun?

Von Irritationen, Irrwegen und mangelnder Integrität
Wer jahrelang in praktischer Gemeindearbeit engagiert ist, wird bemerken: Die Symptome mangelnder geistlicher Integrität sind beträchtlich. Drei Bereiche mchte ich hier herausstellen:

  • Jesus hat mit seinem Tod und der anschließenden Auferstehung den „Tempel aus Stein“ ein für alle Mal abgerissen und unsere Körper und die Gemeinschaft der Gläubigen zu seiner Wohnstätte für den Geist erklärt. Im realen Gemeindealltag spielen aber die Einrichtung von Gemeindehäusern und die nötige Finanzierung der Immobilien eine weitaus größere Rolle.
  • Jesus ruft uns mit der „Bekehrung“ in ein neues geistliches, alle sozialen Schranken überschreitendes Beziehungsnetz, das für uns eine neue Heimat des Reiches Gottes sein soll. Im realen Gemeindealltag sind biologische Familienbande und die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten und Machtverhältnisse aber viel dominanter, als diese geistlichen Grundwerte.
  • Jesus hat seine Jünger aufgefordert, ihm nachzufolgen, d.h. ihm hinterherzugehen mit der Gewissheit, dass er uns im Himmel eine Wohnung bereiten wird. Im realen Gemeindealltag geht es aber viel häufiger darum, dass Christen in ihrer „geistlichen Sitzmentalität“ versorgt werden möchten und es sich in diesem Leben bestmöglich einrichten wollen.

Das ist doch seltsam, oder? Vielleicht haben wir uns schon so sehr an diese Widersprüchlichkeiten gewöhnt, dass sie uns kaum noch auffallen.

Von der Theorie her ist alles klar. Jesus und die Apostel sagten: Ihr lebt in der Welt, seid aber nicht von der Welt (Joh 17,11.14). Sammelt Schätze im Himmel, nicht auf der Erde (Mt 6,20). Das diesseitige Leben ist ein Pilgerweg in die Ewigkeit (l.Petr 2,11). Der Körper gleicht eher einer Hütte, als einer stabilen Behausung (2.Kor 5,1). Seid himmlisch und nicht irdisch gesinnt (Kol 3,2). Gott wohnt nicht in Tempeln, die von Menschen gemacht sind (Apg 17,24). Lebt als Nachfolger Jesu in einer beständigen Selbstentäußerung (Phil 2,5-7).

Wenn solche Aussagen unsere geistliche Identität ausmachen würden, sähe unsere äußere Lebensführung sicherlich anders aus. Kaum einer kann das bestreiten. Die Frage ist: Welche Ursachen führen zu dieser Diskrepanz? Ich vermute inzwischen, dass sie weniger in unserer mangelnden Hingabe oder Entschlossenheit gesucht werden sollten, als vielmehr in unseren Bewusstseinsmustern, in denen wir „wohnen“ und uns verankert haben.

Seit 18 Jahren arbeite ich als Pastor. In dieser Zeit habe ich viele Versuche unternommen, die äußere Struktur und Formgebung von „Gemeinde“ so zu verändern, dass sie stärker an den neutestamentlichen Aussagen orientiert ist. Das ist mal mehr, mal weniger glücklich ausgegangen. Im Einzelnen ging es um die Betonung von generationsübergreifenden Kleingruppen, systemischer Netzwerkleitung, anwendungsorientierter Lehre, interaktivere Gottesdienstformen und um Treffen in säkularen Räumlichkeiten wie Kulturhäusern und Tanzstudios.

Natürlich war mir von Anfang an klar, dass jede äußere Veränderung auch mit einer inneren Werteverschiebung Hand in Hand gehen müsste. Wir befassten uns also mit dem Wesen des Reiches Gottes, mit „Oikos“-Beziehungsnetzen (griech: oikos = erweiterte Hausgemeinschaft), der Bedeutung von Privathäusern, der Wertschätzung von Kindern, der Innewohnung des Heiligen Geistes in jedem einzelnen Gläubigen, den geistlichen Gaben und mit dienstorientierten Leitungsprinzipien.

Das Irritierende war: Trotz rationaler Zustimmung, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, sehnte sich bei einzelnen Mitchristen ihr „Herz" weiterhin nach einem festen gemeindlichen Gebäudestandort, einer väterlichen Pastorenfigur und geregelten Programmabläufen. Bei genauerem Hinsehen wurde klar: Diese Sehnsucht hatte auch mit dem Bedürfnis nach „geistlicher Heimat“, nach einem „emotionalen Gehalten-werden" und mit einem bestimmten Verständnis von „christlicher Identität“ zu tun.

Meine momentane Zwischenbilanz lautet deswegen: Wenn eine Gemeinde neu-testamentlicher werden möchte, dann reicht es nicht aus, knapp 2000 Jahre in der Kirchengeschichte zurückzugehen und eine sich multiplizierende, an Beziehungsnetzen ausgerichtete Bewegung starten zu wollen. (Obwohl auch das schon ein riesiger Schritt in die richtige Richtung wäre. Solche „Zurück-zu-den-Wurzeln“-Bewegungen haben hohes reformatorisches Potential.) Mindestens ebenso wichtig ist aber eine „bewusstseinsmäßige Vorwärtsentwicklung“. Was meine ich damit? Mir scheint, dass viele Gemeindemodelle und christliche Selbstverständnisse auf der Bewusstseinsstufe von Josuas Eroberungskriegen oder Davids Königtum stecken geblieben sind. Wir leben als Gemeinde dann zwar im 21. Jahrhundert nach Christus, befinden uns aber in einer religiösen Mentalität 1000 Jahre vor Christus. Wenn das stimmt, dann liegt das Neue Testament zwar geschichtlich hinter uns, aber in unserer geistlichen Bewusstseinsentwicklung zu weiten Teilen noch vor uns.

Bevor ich nun verschiedene Entwicklungsstufen des Bewusstseins anhand heilsgeschichtlicher Phasen erläutern möchte, ist es sicherlich sinnvoll, zunächst noch einmal grundlegend über „Heimatgefühle" und „Ich-Entwicklung“ nachzudenken.

Von Häusern, Wohnräumen und Gedankengebäuden
Menschen bauen Häuser. Sie behausen sich mit Zelten, Iglus, Holz- oder Steinhäusern. Es geht dabei um mehr als nur um praktische Fragen wie Schutz vor Regen oder Kälte. Anschließend werden Behausungen durch gezielte Gestaltung zum Wohnraum und Ausdruck des Selbst. Schöne Wohnräume lassen Menschen heimisch werden.

Das hebräische Wort für „Haus“ meint im weiteren Sinne „Wohngemeinschaft“, also die, die „unter einem Dach“ wohnen und damit ein „gemeinsames Zuhause“
haben. Interessant ist, dass sogar Stammbäume als „Haus“ bezeichnet werden können (z.B. das Haus Jakobs). Wir erkennen daran, dass es weniger um materiellen Hausbau, als um beziehungsorientierte Beheimatung geht, sowohl im Rahmen einer Geschlechterabfolge als auch in einer aktuell gelebten Gemeinschaft.

Weiterhin ist interessant, dass das hebräische Wort für „wohnen“ vom Ursprung her „sitzen“ bedeutet. Dieses erklärt sich aus der Erfahrungswelt von Nomaden. Dort also, wo sich Wandernde hinsetzen, oder sich niederlassen, dort wohnen sie. Sie werden sesshaft und gründen Niederlassungen. Dort, wo wir bleiben, ist unsere Bleibe. Dort, wo wir uns ein Nest bauen, nisten wir uns ein. Wir werden lokalisierbar (lateinisch: locus = Ort) und verorten uns. Wo wir uns hinstellen, entsteht ein Standpunkt.

Mit diesen Formulierungen deute ich schon an, dass sich all die äußeren Phänomene rund um die Begriffe „Haus, Heimat, Wohnort“ auch auf unser Bewusstsein anwenden lassen. So wie wir unseren Körper mit diversen Stoffen kleiden, hüllen wir auch unser Bewusstsein in Begriffe, Denkstrukturen und Selbstbilder ein. Unsere Psyche erzeugt in sich Wohnräume, verortet sich in Gedankengebäuden und nimmt Standpunkte ein. Solche Aufenthaltsräume nehmen wir gleich einer Schnecke überall hin mit. Wenn wir uns bedroht fühlen, ziehen wir uns „in unser Schneckenhaus“ zurück. Wenn wir ermutigt werden, kommen wir „aus uns heraus“. Folgendes ist nun wichtig zu verstehen: Jede Kultur ist eine Überlagerung von vielfältigen kollektiven Werte-Wohnräumen. Unsere Denkgewohnheiten und Weltbildkonstruktionen haben wir von Kindheit an, über Freundeskreis bis hin zur Ausbildung derart verinnerlicht, dass sie uns nicht mehr bewusst sind oder noch nie bewusst waren. Solches trifft nicht nur auf Einzelpersonen, sondern auch auf Gemeinschaften zu. Jede christliche Gemeinde befindet sich in einem kulturellen Wertekontext, der fast unmerklich auf sie einwirkt und ihre „biblischen Vorstellungen“ überlagert. Wer aber sagt uns, wer wir sind? Was führt zu unserem Selbstverständnis? Was ist unser „Ich“?

Die Aufklärung postulierte ein autonomes Ich. Es zeichnet sich durch eine kritische Reflexionsfähigkeit gegenüber von Religionen vorgegebener Wahrheit aus. Damit wurde das „Ich“ der grundlegende Bezugspunkt aller Werturteile. Über lange Zeit schien man dabei anzunehmen, dass das „Ich“ etwas nahezu substanzhaft Vorhandenes wäre, etwas, das sich eigenständig gegenüber der Umwelt behaupten könne. Postmoderne Überlegungen stellen solche atomisierenden Absolutsetzungen des Ichs grundsätzlich in Frage. Nach deren Ansicht wird das „Ich“ aus kulturellen Bezugnahmen konstruiert: Es ist keine unveränderliche, autonome Zone im Inneren. Das Ich-Bild - oder besser: das Selbst - ist eher ein netzwerkartiges Strukturmuster der Psyche, ein Navigator entlang einer Karthografie der Bewusstseinsebenen, ein relationaler Gravitationspunkt im Gittergeflecht der Erfahrungen. Dieses Selbst konstruiert uns beständig unsere „Identität". Es ist eine sich selbst hochschaukelnde Rückkoppelungsschleife, die unserer Wahrnehmung eine gewisse Eigenständigkeit vorgaukelt. Das „Ich" deutet das Sammelsurium von verwirrenden Erlebnissen und fügt sie zu einer stimmigen Geschichte zusammen. Mehr noch: Letztendlich besteht mein „Ich“ aus dieser Geschichte, die mein Bewusstsein sich selbst über sich selbst erzählt.

Was bedeutet dieses nun für die „neue Identität in Christus"? Wenn also unser „Selbst“ ein formbares Strukturmuster ist, ist es durchaus möglich, den zwanghaften Drall zur Ego-Zentrierung schrittweise hinter sich zu lassen und sich auf Christus hin zu entwerfen, wie ein Haufen von Eisenspänen, die sich an einem aus der Ewigkeit heraus wirkenden Magnetfeld ausrichten. Wenn meine Identität sowieso keine feste Substanz ist, die ich verlieren könnte, sondern dieses Selbstbild relational konstruiert ist, dann kann es auch durch neue Relationen vollständig neu gestaltet werden. Indem mein „Ich" also erkennt, dass es niemals aus sich selbst heraus ein „stabiles Zuhause“ sein wird, kann es sich in Bezug auf seine kulturellen Werte-Wohnräume häuten. Es kann aus seinen Prägungen ausziehen, sich „der Welt" entäußern und schließlich auf Christus „zufliehen".

Ist es nicht sogar Gott selbst, der uns aus unserer Egozentriertheit herausruft, um uns bei sich wohnen zu lassen? Ist nicht unser gesamtes irdisches Leben ein permanenter Exodus heraus aus falschen Ich-Konstrukten? Wir werden durch Christi Kreuz und Vergebung nicht nur entlaust, sondern auch enthaust. Wir werden entäußert, entkleidet und entortet, um uns in ihm neu zu verorten. Wir müssen, um Jesus nachfolgen zu können, unseren Ego-Standpunkt aufgeben und uns in eine beständige Lernbewegung begeben, d.h. aus uns heraustreten. Jesus ist gekommen, um die, die sich in sich selbst verloren haben, heimzusuchen, d.h. zu Gott nach Hause zu suchen.

Schauen wir uns nun genauer an, wie diese kontinuierliche Enthausung und Neueinkleidung vonstatten geht.

Identitätsbildung entlang von sieben Bewusstseinsmustern
Der biblische Gott ist ein Gott der Geschichte, des Weges und der Dynamik. Menschen dagegen erzeugen aber immer wieder Verfestigungsstrukturen. Selbst Jesu engste Jünger wollten bei seiner Verklärung „Hütten bauen“ und glaubten damit, ihm einen Herzenswunsch zu erfüllen (Lk 9,33). Diese Mentalität ist Kennzeichen eines falschen Traditionsverständnisses. Über Jahrhunderte versuchte man, die geheimnisvolle Präsenz und Leuchtkraft Gottes mithilfe von befestigten Wohnräumen in Gestalt von dogmatischen Denkkathedralen zu bewahren. Und während man dieses tat, verkümmerte das geistliche Leben. Man übersah dabei, dass Gottes Wirken - selbst wenn es punktuell sehr intensiv sein kann - immer Wegcharakter hat. Die Heilsgeschichte ist eine echte Geschichte mit einem zeitlichen Verlauf, der in einem Garten beginnt und in einer Stadt endet. Auf diesem Weg führt Gott sein Volk durch verschiedene Entwicklungsmuster ihrer Identität. Hierein kurzer Überblick:

01. Das verlorene Paradies und der Kampf ums Überleben
Nach dem Sündenfall wurde der „Garten Eden“ für die ersten Menschen verschlossen. Völlig hilflos standen sie da und wurden von Gott mit Tierfellen bekleidet (1.M0 3,21). Die Natur erlebten sie sowohl als Quelle für Nahrung als auch als Bedrohung für ihr Leben. Die Erinnerung an das Paradies bleib nur noch als verschwommene Sehnsucht in ihren Herzen zurück.

Dieses ist ein Bild für Menschen, die sich als „unfreiwillig in das Leben hineingeworfen“ empfinden und ums „nackte Überleben“ kämpfen. Sie sind gewissermaßen mit „tierischen Instinkten" überkleidet und darin beheimatet. Gott führt nun diese rebellische Grundnatur in den Untergang und zieht unser Inneres durch die „Sündflut“ in ein neues Bündnis hinein. Die Rettung von Noahs Familie im Holzraum der Arche hat eine tiefe Symbolik in Bezug auf das Rettungswerk Christi am Kreuz.

02. Gegenseitige Versorgung und verwandtschaftliche Abhängigkeiten
Die nächste Etappe beginnt mit Abraham. Gott ruft ihn mitsamt seiner Familie aus seinem Kontext heraus. Heutige Bibelleser betrachten diese Begebenheiten häufig zu individualistisch. Bei genauerem Hinsehen geht es aber um Familienclans, (Groß-)Vaterbeziehungen und Versorgungsverpflichtungen über mehrere Generationen hinweg. Auch die Erfolgsgeschichte Josefs hat mit Versorgung für seinen Familienstammbaum zu tun.

Dieses subtile Bewusstseinsmuster ist bis heute in vielen Gemeinden anzutreffen. Großfamilien und Alteingesessene treffen Entscheidungen. Sogar geistliche Vorväter können unsichtbar anwesend sein und Einfluss auf die Entwicklung einer Gemeinschaft ausüben. Solch eine kollektivistische Identitätsbildung neigt dazu, ein „klebriges Familienbewusstsein“ auszubilden und alles Fremdartige als Bedrohung zu erleben. Nach innen nahezu zwanghafte Harmonie und Loyalität, nach außen starke Abgrenzung. Wenn Gemeinden aber im geistlichen Bewusstsein wachsen wollen, muss es möglich sein, Verschiedenartigkeit zu leben, ohne dass dadurch die Einheit als gefährdet erlebt wird. Diese Einheit muss durch Werte und nicht durch Verwandtschaftsbeziehungen gewährleistet werden.

03. Große Führergestalten und die Eroberung des verheißenen Landes
Jetzt beginnt die Zeit der großen Volksführer. Mose führt in die Freiheit, josua und Kaleb zeigen Glaubenskraft. Jitro, Moses Schwiegervater, schlägt eine pyramidenförmige Leiterstruktur und ein gestuftes Rechtssystem vor. Der ganze Weg durch die Wüste ist von herausragenden Wundern begleitet. Gewaltige Wassermassen teilen sich, Feuer- und Wolkensäulen am Himmel, geheimnisvolle Ernährung für Tausende und eine donnernde Stimme vom Bergmassiv. Neu ist, dass Gott in einem mitwandernden Zeltheiligtum - der Stiftshütte - beständig gegenwärtig ist. Dieses Bewusstseinsmuster ist von starken „charismatischen“ Leitern, von Eroberungskriegen und der Sehnsucht nach „dem Gelobten Land“ inspiriert. Es stellt den Status Quo in Frage und drängt zu neuen Glaubenserfahrungen. Wenn Gott seine Macht erweist, sind alle begeistert. Die Schattenseite: Das kollektive Gedächtnis ist kurz. Sobald Schwierigkeiten aufkommen, beklagt man sich über die Leiter und jammert über einen „fernen Gott". Nach einem 40-jährigen Irrweg stellte sich für Israel heraus, dass „Kanaan“ viel nüchterner zu handhaben ist, als gedacht. Auch Nachfolger Jesu müssen lernen, einen bodenständigen, ausdauernden Glauben zu leben und dabei nicht von „herausragenden Menschen“ und „dramatischen Wunderereignissen“ abhängig zu sein.

04. Eine wohlgeordnete Welt und das Streben nach geistlichem Reichtum
Nach den chaotischen Phasen in der Richterzeit treten Könige in Erscheinung - in stärkster Ausprägung: David und Salomo. Könige zeichnen sich weniger durch „geheimnisvolle Vollmacht“, als vielmehr durch „göttliche Einsetzung“ aus. So bildet das Königtum die kosmische Ordnung in irdischen Gegebenheiten ab. Es ist begleitet vom Tempelbau, von Prunk und Wohlstand, von „Nationenbewusstsein“, „Staatsregeln“ und Zentralisierungsbestrebungen. Diese Bewusstseinsstufe hat viel mit einem „bürgerlichen Christentum" gemeinsam. Es geht um Stabilität und Ordnung, um Regeln und Anstand. Für den Nomaden-Gott wird ein stabiles Tempelhaus aus Steinen gebaut. Gott lässt das zu, macht aber klar, dass all das mit seinem eigentlichen Willen nichts mehr zu tun hat. Solange sich Gemeinden in diesem Wertemuster befinden, achten sie auf Gemeindehäuser, religiöse Programme, Amtspersonen, Satzungen und die richtigen Verhaltensregeln. Dieses Bewusstseinsmuster sorgt für staatlich integrierte und wohlgeordnete Gemeinschaften. Manchen scheint dieses der Hochpunkt des Reiches Gottes zu sein. Es geht um breitflächigen Segen und um die größtmögliche Ausstrahlung einer Zentralgemeinde. Die Schattenseite: Diese Sicherheitsmentalität raubt dem Glaubensleben die Risikofreudigkeit und Flexibilität. Gottes Reich ist aber dynamischer und multiplikativer.

05. Die Entmachtung des Religiösen und die Zerstreuung in die Welt
Weil sich Israel in falscher Weise in seinem Land eingenistet hatte und andere Fruchtbarkeitsgötter verehrte, führt Gott es in eine Krise - das Babylonische Exil. Nun also ist der Tempel zerstört und das „Gelobte Land“ verloren. Woran lässt sich jetzt die Identität verankern? Kann man in der Fremde zu Hause sein? Kann man ohne Tempel eine spirituelle Mitte haben? Nicht alle Juden kehren Jahrzehnte später in ihr Land zurück. Die weltweite Zerstreuung beginnt. Der zweite Tempel wird nie wieder den Glanz des ersten erreichen. Die dezentrale Synagogenbewegung wird geboren. Jedes weltliche Haus kann nun zu einem Heiligtum werden, sobald sich zehn männliche Gläubige darin befinden. All das wurde - unter Gottes Einfluss - durch eine säkulare Herrschermacht initiiert.

Diese Art von Bewusstsein denkt funktionaler, globaler und unkirchlicher. Es geht nicht speziell um meine religiöse Bezugsgruppe, sondern um gesellschaftliches Gemeinwohl und um Menschen in Not. Solche Gemeinschaften stellen die eigenen Bedürfnisse zurück, um über sich hinaussehen zu können. Sie bekommen einen weltweiten Horizont und haben keine Scheu, auch mit säkularen Verantwortungsträgern zusammenzuarbeiten. Kirche muss Kirche für andere sein, oder sie ist keine Kirche. Die geistliche Qualität muss sich in allen Lebensbezügen bewähren und darf sich nicht auf einen religiösen Sektor am Sonntag beschränken. Dieses ist eine Mentalität, die zielgerichtet Verantwortung für „Gottes ganze Schöpfung“ übernimmt.

06. Mobile Tempel in Menschengestalt und die Kraft der Multiplikation
Mit der nächsten Phase landen wir im Neuen Testament. Folgende Modifikationen lassen sich beobachten: Jesus verwirklicht den endgültigen „Abriss des Steintempels“ und macht „Christusgemeinschaften“ zum göttlichen Wohnort. Er formiert geistliche Familien als soziale Konvois entlang der Grundwerte des Reiches Gottes. Wahrheit ergibt sich nicht aus statischen Vorschriften, sondern bekommt einen situativen und personalen Aspekt. Sie lässt sich nur in Beziehung zum Messias erfahren. Es geht darum „in Christus zu bleiben“ und im Glauben bereits in der himmlischen Welt „zu sitzen“. Dabei ist das Heilige kein von der Welt abgeschiedener Bereich. Gottes Gegenwart wirkt überall - inmitten und dazwischen.

Gemeinden mit diesem Bewusstsein brauchen kein „kirchliches Raumgefühl". Im Gegenteil: Sie versammeln sich überall - in Cafes, Parks, Wohnblocks, Fabriken, Büros - und machen damit jeden Raum zu einer „Kirche“ und ihrem geistlichen Zuhause. Sie folgen Jesus nicht jenseits, sondern inmitten der Welt. Der Fokus liegt dabei auf dem Kleinen und Normalen: auf vernetzten Beziehungen, integrierter Lebensführung, geerdeter Selbstwahrnehmung und dem Fragmentarischen des Lebens. Dieses ist der Nährboden für eine Graswurzel-Bewegung: Kleine unscheinbare Gemeinschaften multiplizieren und verbreiten sich in den Nischen der Gesellschaft. Gottes Präsenz wird weniger im Außergewöhnlichen, als vielmehr im Alltäglichen erlebt. Das ist die Art von Gemeinde, die in postmodernen Kontexten an Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit gewinnt. Aber auch das ist noch nicht das Ende des Weges.

07. Eine lichtdurchflutete Wohnstadt und das Werden der Neuen Welt
Die weltweite Multiplikation und Ausbreitung des Reiches Gottes läuft auf einen mysteriösen Zielpunkt zu. Das neue Jerusalem ist eine durchleuchtete Stadt, ein Licht durchfluteter Wohnraum gigantischer Ausmaße. Es gibt keine messbare Zeit, nur Gegenwart. Keine statische Mitte, weil alles mittig und stimmig ist. Zu Christus hin ist alles geschaffen. Die Gegenwärtigkeit des Entäußerten. Die Gemeinschaft des Messias als offener Innenraum. Christus als göttliches Gasthaus für Verirrte. Er selbst ist der Aufenthaltsraum für Verlorene.

Im Glauben haben wir schon jetzt einen „Anker im Himmel“ (Hebr 6,19), eine Verankerung, die „hinter den Vorhang“ reicht. Was bedeutet diese Ausrichtung für unser momentanes Bewusstsein? Antwort: Wir richten uns aus uns heraus auf Christus hin. Damit erfährt unser selbstzentriertes Ego seine Hinrichtung. Es stirbt seinem Eigenwillen um Christi willen (Mk 8,35). Die Lebenseinstellung, die daraus folgt, nennt Paulus: „Nichts haben und doch alles haben.“ (2.Kor6,io). Inkarnation ist dann zwar göttliche Durchleuchtung des Gegebenen, die damit verbundene Formgebung aber nie ein sicherer Wohnraum für das Selbst. Es bedeutet, überall entfremdet und doch in aller Vorläufigkeit zu Hause zu sein, ein Leben ohne Anhaftung an konkrete Gestaltwerdungen führen, weil alles Irdische nur im Vorbeiflug besteht. Dieser Prozess kommt erst dann zum Abschluss, wenn uns die Verehrung Christi völlig selbstvergessen gemacht hat. Indem wir in sein Wesen hineingespiegelt werden, finden wir in das „anbetende Gegenwärtigsein“ hinein - den himmlischen Sabbat - und vergessen, dass es je einen anderen Zustand gegeben hat. Die Schöpfung ist dann zu ihrem Ziel gekommen.

Wo also sind Nachfolger Jesu beheimatet?
Antwort: Dort, wo wir uns mit unserem Bewusstsein verorten. Der Begriff „Ort“ leitet sich interessanter Weise von der Spitze eines Pfeiles ab. Ein Ort ist demnach ein Punkt, auf den ich zeigen und den ich anpeilen kann. Mein innerer Ort ist das, worauf ich mein Bewusstsein fokussiere und sammle. Durch innere Sammlung
werde ich anwesend - mein Wesen west heran und wird gegenwärtig. Manchmal taucht die Frage auf: Warum hat uns Gott nach dem Sündenfall nicht in einem einmaligen Akt der Gnade gleich die Tür in den zweiten Himmel eröffnet? Wie es scheint, führt er uns durch eine äußere und innere Geschichte in die neue Welt. Und diese Heilsgeschichte durchläuft Phasen und hat eine Richtung. Gottes Geist führt Menschen so in mehr Freiheit, Fülle und Präsenz. Der Neue Himmel ist besser als das alte Paradies.

Der Weg dorthin ist ein beständiger Häutungs- und Erlösungsprozess, heraus aus irreführenden Ich-Konstrukten, die uns immer wieder verleiten wollen, uns in der momentanen Entwicklungsphase dauerhaft einzunisten. Auf diesem Weg wandern wir unsere Egokrümmung weg. Wir ziehen unser fest abgeriegeltes Ich aus, das in Innen und Außen einteilt und seine Umwelt kategorisiert. Wir erkennen uns mehr und mehr in anderen. Zusätzlich spiegelt sich in jedem konkreten Menschen Gottes Ursprungsidee wider. Mehr noch: Jeder ist ein Resonanzraum für das befreiende Wirken Christi. Christus ist gekommen, um Verirrte heim zu suchen.

Je mehr wir diese Entwicklungsrichtung verstehen, desto resistenter werden wir gegenüber frommen Verzerrungen und rückwärts orientierten Verhaltensmustern. Stattdessen sehen wir Entwicklungsmöglichkeiten. Einige Beispiele:

  • Wir widerstehen der Illusion, Gemeinde als „Reaktivierung des Paradieses“ zu verstehen, denn wir werden nur durch eine irdische Gebrochenheit hindurch erlöst.
  • Wir verstehen, dass biologische Familienstrukturen nicht maßgebend sind, um ein „geistliches Zuhause“ zu bilden. Christus ruft uns in eine alle sozialen Schranken übergreifende Familie.
  • Wir erliegen nicht der Versuchung, unsere Identität von „charismatischen Leitern“ und deren „geistlicher Vollmacht“ herzuleiten. Jeder Nachfolger Jesu ist ein Wohnort des Geistes.
  • Wir achten darauf, dass bei christlichen Gemeinschaften nicht moralische Regelhaf-tigkeit im Vordergrund steht, sondern die innere Verbindung zu Christus betont wird.
  • Wir fördern gesellschaftliche Integration, ohne „dem Weltlichen“ zu verfallen. Gottes Wirken ist vielfach auch außerhalb von christlichen Gemeinschaften zu finden.
  • Bei allem widersetzen wir uns irdischen Endgültigkeiten und der daraus erwachsenden Lernträgheit. Unsere Identität ist im Werden, und wir sind zur Mitgestaltung berufen. Ist es nicht spannend, dass unsere Bewusstseinsentwicklung beachtlich ähnlich zum geschichtlichen Heilsweg verläuft? Entlang dieser inneren Muster wandern wir zu mehr Reife und Integrität, bis sich alles zu einer unüberbietbaren „Beheimatung in Gott“ verdichten wird.

Weiterführende Literatur: Beck, Don E. / Cowan, Christopher C.; Spiral Dynamics - Leadership, Werte und Wandel: Eine Landkarte lür Business und Gesellschaft im 21. Jahrhundert, Kamphausen 2007.

Tags
Artikel Bewusstsein Heilsgeschichte Meta-Story Sprial Dynamics
Anhang