Zukunft

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Mich bewegt die Frage nach der Zukunft von Kirche (oder Gemeinde - ich verwende beide Begriffe synonym) stark. Problemanzeigen gibt es zuhauf, z.B. die Provokation von Heinzpeter Hempelmann "Warum die Kirche keine Zukunft hat" (Theolog. Beiträge 20-6, 440, 2020). Wie kann Gemeinde den Glauben an Jesus Christus gemeinsam leben und in der Gesellschaft kommunizieren?

Bei mir mehr Fragen und Träume als Antworten... Vielleicht war das alte Hauskreismodell, aus dem meine Gemeinde vor mehr als hundert Jahren entstanden ist ("Stubenversammlungen"), nicht so schlecht; jedenfalls ermöglicht es Partizipation und gelebte Gemeinschaft. Eine Fokussierung auf einen für eine bestimmte Zielgruppe "designten" Gottesdienst, als Bühnenshow von Profis für konsumierende Kunden, will mir hingegen - bis jetzt - nicht als Lösung einleuchten.

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Gemeinschaft Glaube Tiefe Fragen Zukunft Gemeinde
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Warum (mir) diese Frage wichtig ist:  
Ich bewege mich immer wieder im säkulären Umfeld, in dem die Frage "Wozu brauchen wir überhaupt Kirche?" völlig selbstverständlich gestellt wird. Nun ist Kirche natürlich nicht nur diakonisches Handeln. Das Unsichtbare ist nicht weniger Wesentlich als das Sichtbare - allerdings wundere ich mich, warum so wenig von dem, was wir als Kirche sind und tun, bei Menschen ankommt. Denn anders kann ich mir nicht erklären, warum Menschen fragen: Wozu brauchen wir denn Kirche?

Sicherlich wird manches von dem, was Kirche tut, übersehen, nicht mehr wahrgenommen, weil es eben schon so selbstverständlich ist, dass Kirche beispielsweise diakonisch handelt, dass es nicht mehr wahrgenommen wird. Teil des Problems ist also sicherlich ein Kommunikations- und Imageproblem. 

Aber das reicht mir nicht. Ich frage mich trotzdem, ob das, was wir als Kirche tun unserem Auftrag entspricht. Leben wir wirklich als Licht der Welt? Verkündigen wir Evangelium für die Menschen? Tun wir "genug"? Das ist schwer messbar und führt den einen oder anderen sicherlich in eine Abwehrhaltung - sollen wir etwas noch mehr tun?

Aber meine Frage drängt nicht auf ein Mehr. Es geht mir darum zu fragen, wo unsere Kraft hinfließt und ob die Kraft dazu genutzt wird, den Menschen Gutes zu bringen - Heil im umfassenden Sinn. Nicht, um die Existenz von Kirchen zu rechtfertigen, sondern weil ich glaube, dass dies ein Wesenszug von Kirche sein müsste. 
 

Welche Themenfelder gehören dazu: 

  • Wo sind wir als Kirchen aktiv, um diese unsere Zeit, die von vielen als schwere Zeit empfunden wird, zu gestalten?
  • Sind wir Deuter:innen? Bieten wir konkrete Hilfe? Öffnen wir Deutungshorizonte für ethische Fragen? Bieten wir einen Mehrwert, der Menschen hilft, in Krisen zu bestehen?

 

Was ich mir von einer (Teil-)Antwort erhoffe:
Einerseits eine Hilfe zur Bestandsaufnahme. Welche Punkte muss ich angucken, welche Fragen muss ich stellen, um innerhalb einer Einzelkirche, aber auch in größeren Zusammenhängen zu verstehen, wo und inwiefern Kirche der Welt Gutes tut. 
Andrerseits auch die grundsätzliche Frage: Ereignet Kirche sich wirklich darin, dass sie Gutes tut, Heil bringt? Sollte das für Kirche unumgänglich sein? Und müssten wir dann nicht als Kirche ganz anders leben?

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Gute Nachricht Relevanz Zukunft
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1. Pessimismus als Ausgangspunkt

Annahme: Für Menschen in zentraler, kirchlicher Verantwortung sicher nichts Neues

Seit 20 Jahren wohne ich in einer ländlich geprägten Kirchengemeinde. Aus meiner Zeit als Kirchenvorstand weiß ich, dass aus der Zahl der Gemeindemitglieder, den Kasualien und dem Schuldienst in einer der näheren Kleinstädte zirka 0,9 Pfarrstellen berechnet wurden. Einen kirchlichen Kindergarten und eine Schule im Ortsteil gibt es nicht. An Vereinen sind vor allem die Freiwillige Feuerwehr und der Sportverein relevant, beide haben aber auch Nachwuchsprobleme.

Seit vielen Jahren gibt es keinen Kindergottesdienst mehr, aus den Konfirmandenjahrgängen bildet sich immer wieder eine kleine Mitarbeitergruppe zur jährlichen Ausrichtung einer Kinderbibelwoche gegen Ende des Schuljahres, deren Dauer und Besuch wegen der zunehmend schulischen Beanspruchung der Kinder zurückgegangen ist. Mutter- und Kind-Kreis (ohne enge Bindung an die Kirchengemeinde) und der Seniorenkreis sind eingeschlafen, die leitenden Personen sind ausgeschieden, Nachfolger gibt es nicht. Hauskreise gibt es nicht, ein Glaubenskurs wurde abgelehnt, weil es scheinbar vor 30 oder 40 Jahren Schwierigkeiten mit einer sehr konservativen Gruppierung am Ort gegeben haben soll (weiteres ist mir nicht bekannt).

Zurzeit ist ein neuer Landesstellenplan in Arbeit, es wird auch nicht der letzte sein, doch zu befürchten ist, dass aufgrund der zurückgehenden Anzahl sowohl der Gemeindemitglieder als auch der Pfarrer Kirchengemeinden und Pfarrbüros zusammengelegt werden, aber auch Pfarrhäuser, Gemeindehäuser und letztendlich auch Kirchen verkauft werden.

Ich bin kein Kirchenhistoriker, doch das frühere Vorbild der Pfarrfamilie mit ihrem Einfluss sowie die Wahrnehmung, dass kirchliche Positionen immer weniger gefragt werden und in den Medien erscheinen, lassen aus der Perspektive der bislang "Wohl-Habenden" mit zunehmender gesellschaftlicher Desorientierung mit zeitgleicher Polarisierung von "Meinungen" den Verlust eines religiösen und gesellschaftlichen Ortszentrums im ländlichen Raum befürchten. Begleitet wird dieser Verlust von schließenden Gaststätten und Geschäften, konzentrierten Gemeindeverwaltungen und Schulen, Reduzierung des öffentlichen Nahverkehrs von Ort zu Ort und Alterung, aber auch Bevölkerungsschwund.

Der Kirchturm als Landmarke und auch Anzeige eines spirituellen bzw. gesellschaftlichen Zentrums sowie Erinnerungs- und Bezugsort von Biografien sorgt allenfalls noch für touristisches Interesse.

 

2. Themenfelder

  • Ausbildung und Beschäftigung der Pfarrer/Hauptamtlichen (zum Teil anderweitig berufstätig, vgl. Paulus)?
  • Gewinnung und Ausbildung/Schulung von Laien
  • Struktur von Kirchengemeinden
  • Kirchliche Positionen in den Medien
  • Erhaltung und (Mehrfach-) Nutzung kirchlicher Gebäude
  • Helfen neue Formen wie zum Beispiel aus der Fresh-X-Bewegung?
  • Wie kann Glaube "digitalisiert" werden, sodass er flächendeckend bei Gottesdienstbesuchern Gemeinschaft schafft? Wie nehme ich technikferne Menschen mit?
  • Wie lässt sich Glaube zeitgemäß (VUCA-gemäß?) wecken und weitergeben?
  • Wie können Einzelne eine Graswurzelbewegung initiieren und die Community fördern? Reicht Gebet alleine?

 

3. Was ich mir von einer (Teil-)Antwort erhoffe

  • Was heißt in diesem Fall "Suchet der Stadt Bestes"? Nur noch Stadt und nicht mehr Dorf?
  • Wo sind Kirche und Glaube von Morgen auf dem Land?
  • Wie wird die Fragestellung tiefer?

 

4. Trotzdem

Warum fange ich nicht an?

Jesus ist unser Joker :-)

 

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Digitalisierung Evangelische Kirche Glaube Hochrechnung Kultur der Digitalität Mitgliederentwicklung Praxis Spiritualität Struktur Tiefe Fragen Zukunft
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Der Ausgangspunkt

Meine Voraussetzung ist: unsere gegenwärtige Art, Kirche/Gemeinde zu sein, kommt gerade an ihr Ende. Ich schreibe das als Landeskirchler, der sieht, wie der Rückbau der flächendeckenden Organisation jetzt in ein kritisches Stadium kommt. Im Augenblick versuchen die Kollegen noch, mit äußerstem Einsatz den Status Quo zu halten. Aber lange wird das nicht mehr gutgehen. Der individuelle und kollektive Burnout beginnt schon hier und dort, und die Flucht in übergemeindliche Posten hat sowieso längst eingesetzt. Das Geld ist gar nicht mal so knapp, aber der Nachwuchs wird es. Meine Prognose: es wird in der ersten Hälfte der 2030er kippen.

Vor allem sehe ich aber eine wachsende inhaltliche Entleerung. Predigten, Andachten und sonstige Voten werden oberflächlicher. Statt des Versuchs einer theologischen Durchdringung der gegenwärtigen Lage (was angesichts unserer umfassenden Zivilisationskrise dringend nötig wäre) werden Schlagworte reproduziert, Gefühle beschrieben, Geschichtchen erzählt und mit allerlei Kaspereien um Aufmerksamkeit gebuhlt. Bestenfalls noch Traditionen dekonstruiert, aber das bringt auch nicht weiter. Wenn sich mal jemand ereifert, dann über Stilfragen und Marketingkonzepte. Über allem liegt eine milde Depression, Resignation, und viele fühlen sich erschöpft. Fast niemand ist mehr echt stolz auf seine Arbeit und das, was er erreicht hat.

Ein ökumenisches Problem

In die Freikirchen schaue ich nicht so genau rein. Da geht es organisatorisch sicher anders zu, aber gelegentliche Gottesdienstbesuche und Begegnungen geben mir den Eindruck, dass es inhaltlich gar nicht so verschieden aussieht. Da sind meistens (nicht immer) noch mehr fromme Worte, aber man hat nicht das Gefühl, dass die Theologie oder auch nur der Glaube ein tägliches Handwerkszeug ist, das man unbedingt brauchen würde.

Wenn ich damit recht habe (natürlich sind das sehr subjektive Eindrücke, es gibt sicherlich auch andere), dann haben wir ein ökumenisches Problem. Aber es liegt nicht an den Unterschieden, sondern gerade die Gemeinsamkeiten quer durch fast alle christlichen Fraktionen in Deutschland (und vielleicht weit darüber hinaus) sind das Problem. Was führt eigentlich dazu, dass die deutsche Christenheit als Ganze in unserer gegenwärtigen Situation so wenig beizutragen hat, was die Gesellschaft aufhorchen lassen würde? In den Medien tauchen wir jedenfalls in der Regel nur mit Skandalen oder den ewiggleichen wohlabgewogenen Stellungnahmen auf.

Die Inhalte prägen unsere Kirchlichkeit

Nun bin ich aber mehr an Lösungen als an Fragen interessiert. Deswegen möchte ich die gegenwärtige Misere möglichst wenig analysieren (obwohl ich dazu auch viel mehr sagen könnte), sondern eher fragen: Wie würde eine Gemeinde/Kirche jenseits unserer jetzigen Kirchentümer aussehen? Und zwar nicht in erster Linie organisatorisch. Das ist zwar auch wichtig, aber eigentlich wird Kirche von ihrer Theologie her geprägt. Wenn man zB ernst nimmt, dass Christen nach Jesus das Salz und nicht der Teig sein sollen, dann kann man eigentlich gar nicht auf die Idee kommen, Volkskirche sein zu wollen. Freikirchen verstehen sich zwar als Minderheit, heben sich aber in der fundamentalen Theologie nur wenig von den Großkirchen ab.

Die Frage wäre also: Welche Einstellungen tief unten im Maschinenraum unserer gemeinsamen Theologie müssen verändert werden, wenn wir eine wirklich andere Art von Gemeinden/Kirchen wollen? Gegenüber dieser Frage sind Differenzen im Abendmahlsverständnis oder über die Rolle des Heiligen Geistes eher Pippikram (so viel Ketzerei muss sein).

Grundlegend neu denken

Um es noch einmal anders zu beschreiben: ich bin nicht interessiert an Musikstilen oder Liturgievarianten, auch nicht an Marketingkonzepten oder der ewigen Frage, wie wir "die Jugend" oder andere Milieus erreichen. Noch nicht mal an der Frage, wie wir unsere Inhalte in Sprache und Aroma modernisieren können. Das alles ist an seinem Ort sicher wichtig, geht aber am Kern vorbei. Meine Frage ist: Was sind denn eigentlich unsere Inhalte? Und welche grundlegenden theologischen Revisionen jenseits des Modernisierungsparadigmas ermöglichen ein fundamental neues, aber biblischeres Christentum?

Wohin das meiner Meinung nach gehen könnte, will ich in ein paar plakativen Stichworten andeuten (ich gebe von vornherein zu, dass das 1. noch längst nicht alle sind, und dass man 2. natürlich alles in Wirklichkeit differenzierter sehen muss):

  • Schluss mit der Sühnopfertheologie. Gott ist weder schnell beleidigt, noch in seinen eigenen Gesetzen gefangen.
  • Das Kreuz als ultimativen Konflikt zwischen Gott und den Imperien/Todesmächten sehen und es so  (mit Paulus) als Rahmen für alle Theologie nehmen.
  • Eine selbstbewusste Schöpfungstheologie, die in den aktuellen Naturwissenschaften Verbündete sieht
  • Himmel als Ermöglichungsraum für die Erde, nicht als Endlager für tote Seelen mit dem korrekten Glaubensbekenntnis.
  • Die Zukunft liegt nicht im Paradies, sondern im Neuen Jerusalem (Jens, das hab ich von dir!).
  • Von der Gemeinde her denken, nicht vom Individuum her.
  • Ein zwanzigjähriges Moratorium für alle Sex- und Familienthemen.
  • Ausrotten der gnostischen Unterströmungen im Christentum
    (ich bitte alle Nichttheologen um Entschuldigung, wenn ich das nicht erläutere, aber es geht hier einfach nicht. Im Prinzip ist es der Oberbegriff von allem Vorigen.)
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Botschaft Mitgliederentwicklung Theologie Zukunft
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Dieser Vortrag wurde am 7.5.2022 als Eröffnung auf der Tagung "Das Täufertum und die Freikirchen - Das täuferische Erbe und seine Bedeutung für die Gegenwart" in Elstal gehalten.

Der Vortrag findet sich bei iTunes unter "Radikale Reformation", Episode 43 oder hier: https://radikale-reformation.de/2022/05/16/43_radikal-und-relevant_500-jahre-taeuferbewegung_jens-stangenberg/

Im Sinne eines Dialogischen Schreibdenkens dürfen zu den ausgeführten Gedanken gerne weitere Anmerkungen in die Kommentare geschrieben werden. (Das ist nur im eingeloggten Zustand möglich.)


Einleitung
Zeitliche Einordnung: Die frühen Täuferbewegungen

  1. Das Andere denken lernen
    1. Sich konstruktiv verweigern
    2. Für das Gewaltpotential der Ganzheit sensibilisieren
    3. Das Dialogische einüben
       
  2. Offene Innenräume kultivieren
    1. Sich von innen her verbinden
    2. Schutzräume des Neuen initiieren
    3. Gottes Traum Gestalt werden lassen
       
  3. Rhizomatische Strukturen ausbilden
    1. Sich basisorientiert vernetzen
    2. Vertikale Ordnungen relativieren
    3. Dezentrierte Ausbreitung ermöglichen

Fazit

Als zukunftsweisend empfinde ich:

1. Wir brauchen mehr christliche Gemeinschaften, die sich von einer Eins-Logik verabschieden. Das beinhaltet: Sie halten das Andere aus – auch in ihrer Mitte. Sie vertreten die Gute Nachricht nicht fundamentalistisch übergriffig, sondern dialogisch und kontextuell. All das ist hochgradig anschlussfähig ist einer postmodernen Kultur.

2. Wir brauchen mehr christliche Gemeinschaften, die sich von jeglicher Art eines machtpolitischen Kirchenmodells distanzieren. Gemeinschaften, die eine wechselseitige Unterordnung strukturell realisieren möchten. Offene und gleichzeitig geschützte Innenräume, knollenartig und vernetzt, bestmöglich hierarchiefrei und unabhängig von Gebäuden.

3. Wir brauchen mehr christliche Gemeinschaften, die wieder neu die Bedeutung der Wir-Gestalt des Glaubens verstehen lernen. Bündnisstrukturen, die auf freiwilligen Selbstverpflichtungen beruhen und nicht mit immer neuen Events ein konsumorientiertes Einzelchristentum heranzüchten.

4. Wir brauchen mehr christliche Gemeinschaften, die erkennbar lebensfördernd und friedensstiftend wirksam sind. Gemeinschaften, die sich nicht nur als religiöses Biotop verstehen, sondern als ein himmlisch-humanes Ausbildungszentrum inmitten der großen Shalom-Geschichte Gottes.

 

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Rhizom Struktur Täuferbewegung Zukunft