(1) Warum (mir) diese Frage wichtig ist:
Wir kennen aus den Evangelien Jesu Lehren vom Reich Gottes, das mit ihm nach eigener Aussage in die Welt gekommen ist. Jesus hat vom Reich Gottes bevorzugt mithilfe von Gleichnissen gesprochen, wahrscheinlich deshalb, weil es sonst von den Menschen schwer begriffen werden kann und über ihr Verstehen hinausgeht. Das Reich Gottes scheint – ähnlich wie Gott (Ps. 8) – für uns Menschen nur ansatzweise verstehbar bzw. begreifbar zu sein, aber die Gleichnisse zeigen einige seiner Merkmale und Gesetzmäßigkeiten. Für mich ist die Reich Gottes-Lehre der zentrale Bestandteil der Nachfolge und des christlichen Glaubens.
Wenn wir heute die Bibel lesen, lesen wir sie anders als die Menschen in der Antike oder im Mittelalter. Denn zum Verstehen bringen wir immer unseren eigenen Kontext mit ein, bestehend aus individueller Biografie, Kultur und den Lebensbedingungen. Bauern im Mittelalter lesen solche Texte anders als Menschen in Großstädten im 21. Jahrhundert, Handwerker lesen sie anders als Ärzte oder Polizisten. Dieses hermeneutische Grundverständnis macht ein objektives Verstehen von Texten in dem Sinne von "das hat Jesus wirklich gemeint" unmöglich. Gleichzeitig gilt aber auch, dass er uns die Schrift "öffnen" kann und wir auch immer wieder irritierende Dinge aus den Texten herauslesen, die eben nicht nur aus unserer Situation heraus kommen. Zudem können literarische Texte noch weit mehr erzeugen, als Fakten wiederzugeben (vgl. Roland Barthes: Die Lust am Text).
Nun leben wir in einer digitalen Welt zunehmend unter den kulturellen Bedingungen der Digitalität (F. Stalder) und erleben zurzeit massive Umwälzungen. Der Soziologe Ulrich Beck sprach in seinem letzten Buch sogar von einer Metamorphose, die unsere Welt durchmacht. Zygmund Bauman stellt uns die Welt als eine liquide vor und für Fredmund Malik verändern sich zurzeit sämtliche Bereiche unseres Lebens und damit auch unsere Wahrnehmung und wir selbst.
Mein Verdacht ist, dass die Merkmale einer Kultur der Digitalität (z.B. Vernetzung, Virtualität, Referentialität, Gemeinschaftlichkeit, Algorithmizität) uns ein neues Verständnis vom Reich Gottes ermöglichen – nicht besser, aber anders.
Fest steht für mich, dass Christus auch im digitalen Zeitalter drin ist, dass er auch die Digitalität bedingt, denn "durch ihn hat Gott alles erschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist. Er macht alles, was wir sehen, und das, was wir nicht sehen können, ob Könige, Reiche, Herrscher oder Gewalten. Alles ist durch ihn und für ihn erschaffen." (Kolosser 1, 15 f.)
So könnte ein Teil der Pilgerreise sein, die Lehren vom Reich Gottes vor dem Hintergrund der Digitalität neu zu lesen und dabei sicherlich spannende Entdeckungen zu machen.
(2) Welche Themenfelder dazu gehören:
- Lehren vom Reich Gottes
- Kulturelle Merkmale der Digitalität
- Hinterfragen des eigenen Textverständnisses (Hermeneutik)
(3) Was ich mir von einer (Teil-) Antwort erhoffe:
- ein besseres und klärenderes Verständnis des eigenen Glaubens
- ein angemesseneres Sprechen über den Glauben zu Menschen, denen er fremd ist
- neue Inspirationen